Zeitschrift | 08.04.2024
Call for Papers Heft 1 in 2025: Die gesunde Stadt
Gesundheit ist ein äußerst vielschichtiger Begriff und wird je nach Verwendungszusammenhang unterschiedlich definiert. Die World Health Organisation (WHO) definierte 1948: Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen. Sich des bestmöglichen Gesundheitszustands zu erfreuen ist ein Grundrecht jedes Menschen, ohne Unterschied der Rasse, der Religion, der politischen Überzeugung, der wirtschaftlichen oder sozialen Stellung. 1986 präzisierte die Ottawa-Charta der WHO: Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: Dort, wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben. Gesundheit entsteht dadurch, dass man für sich selbst und für andere sorgt, dass man in die Lage versetzt ist, selber Entscheidungen zu fällen und eine Kontrolle über die eigenen Lebensumstände auszuüben, sowie dadurch, dass die Gesellschaft, in der man lebt, Bedingungen herstellt, die all ihren Bürger*innen Gesundheit ermöglichen.
In Kommunen gehören alle Gesundheit fördernden Güter und Dienstleistungen zum zentralen Aufgabenfeld der Daseinsvorsorge. Diese umfasst allgemein die Bereitstellung von Wasser, Energie und diverser physischer wie sozialer Infrastruktur. Im Hinblick auf Gesundheit haben Kommunen – insbesondere im Ansatz der doppelten Innenentwicklung – sowohl für eine akzeptable medizinische Versorgung als auch für die Minimierung von Gesundheitsrisiken wie Lärm, Luftverschmutzung, Auswirkungen von Naturphänomenen wie Hitze und Starkregen sowie für eine der Gesundheit zuträgliche Stadtlandschaft zu sorgen. Diesem Anspruch wird nicht nur im Rahmen der Bauleitplanung (§1, Abs. 6 BauGB) Rechnung getragen, sondern auch prominent durch die vor den Vereinten Nationen definierten 17 Sustainable Development Goals (SDG) für eine nachhaltige Entwicklung. SDG 3 „Gesundheit und Wohlergehen“ definiert deutlich den Anspruch an Kommunen: Relevante Teilziele für deutsche Kommunen sind unter anderem die Gewährleistung hochwertiger Gesundheitsdienste, die Bekämpfung übertragbarer Krankheiten, die Sicherung des Zugangs zu Arzneimitteln und Impfstoffen, die Förderung der psychischen Gesundheit, die Prävention und Behandlung von Drogen- und Alkoholmissbrauch, die Verringerung der Zahl von Todesfällen und Verletzungen aufgrund von Verkehrsunfällen sowie die Verringerung der Zahl von Todesfällen und Erkrankungen aufgrund von Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzungen.
Eingedenk dieser Sichtweisen auf Gesundheit (-sfürsorge) erschließen sich zahlreiche Facetten des Themenfeldes „Stadt und Gesundheit“: Im 19. Jahrhundert ging es insbesondere um Fragen der Hygiene und um die Notwendigkeit einer Modernisierung der gebauten städtischen Infrastruktur. Heute werden insbesondere Auswirkungen des demografischen Wandels, des Klimawandels oder der sozialräumlichen Ungleichheiten auf die Gesundheit der Bevölkerung und die Gesundheitsvorsorge in der Stadt wie auf dem Land diskutiert.
Thematische Fokussierungen dieses Schwerpunkts der „Stadtforschung und Statistik“ könnten sich entsprechend auf einen der folgenden Aspekte beziehen:
- Welche Indikatoren stehen der Kommunalstatistik oder der Landes- und Bundesstatistik für raumdifferenzierende, möglichst kleinräumige Analysen von Gesundheit / Krankheit zur Verfügung (bspw. Fertilitätsraten, Mortalitätsraten, Lebenserwartung, Impfquoten, Gesundheitspersonal, durchschnittliche Verweildauer im Krankenhaus, etc. – vgl. auch https://leitbegriffe.bzga.de/alphabetisches-verzeichnis/gesundheitsindikatoren/)? Wie sieht eine kommunale Gesundheitsberichterstattung aus?
- Welche empirischen Untersuchungen gibt es bezüglich eines Zusammenhangs zwischen Wohnungsausstattung oder Wohnlage und Gesundheit der Bewohner*innen? Oder: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Wohnungsgröße, Status als Mieter*in oder Eigentümer*in, Sanierungsstand einer Wohnimmobilie und Gesundheitsindikatoren?
- Welche empirischen Untersuchungen gibt es bezüglich eines Zusammenhangs zwischen Klima-/Umweltdaten (Hitze, Lärm, Luft (bspw. Feinstaub, Stickoxide), Strahlenbelastung, (Trink-)Wasser) und Gesundheit der Bewohner*innen?
- Welche empirischen Untersuchungen gibt es bezüglich eines Zusammenhangs zwischen Freiraumqualitäten (Fahrradwegenetzt, Verkehrsflächen, Kleingartenanlagen, Grünflächen, Wasserflächen, Wald) und Gesundheit der Bewohner*innen? Zugehörige Erreichbarkeitsanalysen?
- Gibt es stadtspezifische Analysen zum möglichen Zusammenhang zwischen Sicherheit am Arbeitsplatz oder Verkehrssicherheit (als Aspekte der Gesundheitsvorsorge) und Unfallhäufigkeit oder Berufskrankheiten?
- Welche empirisch zu belegenden Auswirkungen hatte die Corona-Pandemie und welche hat in der Folge Long-Covid auf die Stadt?
- Werden Schuleingangsuntersuchungen bzgl. Gesundheitszustand regelmäßig – auch kleinräumig – ausgewertet? Mit welchen Konsequenzen?
- Sozialepidemiologische Untersuchungen belegen, dass sozioökonomisch besser ausgestattete Menschen in Deutschland gesünder sind und eine längere Lebenserwartung haben als Menschen, die über weniger Kapital, also geringere Bildung, Einkommen und Status verfügen. Unterscheiden sich sozialstrukturell zu unterscheidende Stadtquartiere hinsichtlich ihrer Gesundheitskosten, ihrer Arztbesuchshäufigkeit, ihrer Krankheiten, ihrer Lebensarbeitszeit, ihres erreichten Lebensalters, …?
- Wie sieht die Ausstattung mit Gesundheitsvorsorge-Infrastruktur aus – bspw. mit Fitnessstudios und Sportstätten, aber auch bzgl. Aufklärung und Weiterbildung (für wen Erste-Hilfe-Kurse, wer kommt zu Sehtests oder Krebsvorsorge, etc. und gibt es Auswertung der Befunde, Verständnis der medizinischen Fachsprache)? Zugehörige Zugangs- und Erreichbarkeitsanalysen?
- Wie sieht die Ausstattung mit Versorgungs-Infrastruktur aus – bspw. mit Apotheken, Hausarztpraxen, Facharztpraxen, Krankenhäusern, Reha-Sport und anderen therapeutischen und pflegerischen Einrichtungen, altersgerechten Wohnungen? Zugehörige Zugangs- und Erreichbarkeitsanalysen?
- Welche Gesundheitsindikatoren werden als Bausteine einer empirisch begründeten Daseinsvorsorge in den Stadtentwicklungs- und Stadtplanungsämtern seit wann regelmäßig berücksichtigt? Dokumentation ihrer „Wirkungen“? (siehe dazu einige Leitbegriffe der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sowie weiterführend: https://gesunde-staedte-netzwerk.de/ oder http://stadt-und-gesundheit.de/)
- Gibt es Unterschiede zwischen städtischen und ländlichen Regionen hinsichtlich der Gesundheitsinfrastruktur (z.B. Einrichtungen medizinischer Versorgung, Zugang zu Sportstätten, Luftqualität, Lärm, Hitze) und der individuellen körperlichen wie psychischen Gesundheit?
- Zeitvergleich: Welche langen Zeitreihen sind bzgl. Gesundheitsinfrastruktur einerseits und Gesundheitsstand oder Lebenserwartung der Bevölkerung andererseits möglich? (Stadtteil-, Regional- oder Stadt-Land-Vergleiche)
- Historische Betrachtung: Welche zentralen Indikatoren änderten im Lauf von Jahrzehnten ihre Bedeutung? Wie änderten sich aufgrund welcher Erfahrungen oder aufgrund welcher Forschungsbefunde Gesundheit betreffende Fragestellungen? – welche Konsequenzen folg(t)en daraus für (kommunale) Gesundheitsberichterstattung (bspw. die Indikatorenauswahl in Statistischen Jahrbüchern)?
Nicht alle aufgeführten Themen können und werden in diesem Heft enthalten sein, dafür vielleicht andere, hier nicht angedachte. Zugriffe mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen sind willkommen, auch wenn die Auswertung der erhobenen Daten nicht statistisch erfolgt. Erwünscht sind eher kürzere Texte (bis 30.000 Zeichen abzüglich Fotos, Abbildungen, Tabellen) aus empirischen (abgeschlossenen wie noch laufenden) Forschungsprojekten oder als Analysen kommunaler (oder privater Geo-) Daten/Indikatoren. Auch einseitige Abstracts zu andernorts bereits veröffentlichten Studien oder Vorträgen sind gern gesehen.
Das Heft wird moderiert von Frau Dr. Miriam Reiner-Henrich und Frau Dr. Gabriele Sturm. Bitte wenden Sie sich mit Ihren Fragen und Beitragsangeboten bis zum 1. September 2024 per Mail an Miriam.Reiner-Henrich@esslingen.de und gsturm@uni-bonn.de. Der Redaktionsschluss für die Abgabefassung der Beiträge (Preprints) ist am 31. Dezember 2024.
Ansprechpartner
Dr. Grit Müller
Stadt MünsterZeitschrift "Stadtforschung und Statistik" - Redaktion
0251 492 1210
muellergrit@stadt-muenster.de
Dr. Till Heinsohn
Landeshauptstadt StuttgartZeitschrift "Stadtforschung und Statistik" - Zeitschriftenleitung
0711 21698574
redaktion@stadtforschung-statistik.de